Leben wir in einem Ausnahmezustand?

Zurück von der Sommerpause

Willkommen zurück nach der Sommerpause! Um wieder einen Einstieg in den Blog zu finden, kam ich zurück zu dem Beitrag im Mai diesen Jahres und bin erstaunt, dass die eigentliche Zeitrechnung ganz im Gegensatz zu meiner eigenen steht. Wochen, Tage, Monate fließen ineinander und mancherorts liest und hört man gerade von der Rückkehr zur "Normalität". Während die Großstadt sich wochenlang wie ein Sonntagmorgen anfühlte, war die Kleinstadt und Natur oft mein benötigter Ausgleich. Der Sommer war gespickt von besonderen Tagen, die man eigentlich gerne mit Familie und FreundInnen verbringen wollte, während alles begleitet war von einem seltsamen Gefühl. Unsicherheit und Zweifel trafen auf die Bedürfnisse nach Nähe und Zusammensein und das wiederum auf das öffentliche und moralische "Was darf man?" Und während Sitzplatzbeschränkungen, Abstandsregelungen und Maskenpflicht schon für mich dazugehören, fühlt es sich ein wenig danach an, dass der Zwang des Virus allmählich –oder doch nur vorerst, etwas zu weichen scheint.

Leben wir in einem Ausnahmezustand?

Die Krise trifft auf Klimawandel, politische Umwälzungen und immer lauter werdenden Proteste. Schon immer sehnten sich Menschen in erschöpften Gesellschaften nach dem Neuen, Anderen und Besseren. Aber was ist das "Bessere", wenn der Alltag von Unsicherheiten geprägt ist? Wohin bewegen wir uns? Zurück ins Alte? Vorwärts ins Neue?

Möglichkeiten von Leben

“Without stories of progress, the world has become a terrifying place. The ruin glares at us with the horror of its abandonment. It’s not easy to know how to make a life, much less avert planetary destruction. Luckily there is still company, human and not human. We can still explore the overgrown verges of our blasted landscapes […]. We can still catch the scent of the latent commons - and the elusive autumn aroma.” – Anna Tsing, The Mushroom at the End of the World S.282.

Die Anthropologin Anna Lowenhaupt-Tsing beschreibt in ihrem Essay Der Pilz am Ende der Welt das komplexe Geflecht von SammlerInnen, HändlerInnen und WissenschaftlerInnen rund um einen Pilz. Der Matsutake war das erste Leben, das sich nach der nuklearen Katastrophe in Hiroshima entwickelte. Sie hebt hervor, es gehe nicht um das Überleben nach der Katastrophe; das prekäre Leben sei die Regel, nicht die Ausnahme. Diese Prekarität benötige Strategien –nicht des Überlebens, sondern des Zusammenlebens und Aneinander-Anpassens. In diesem Moment des Hineinspürens offenbaren sich symbiotische Geflechte zwischen Pilz und Mensch. Dabei geht es weder um eine dystopische Apokalypse, noch um eine Utopie innovativer Technologien – wir leben schon in ökologischen Ruinen, so die Autorin und das Sinnbild des Pilzes zeigt, wie sich unter scheinbar aussichtslosen Bedingungen ein Beispiel für Resilienz und Wendigkeit finden lassen kann. Was für eine Welt fändet ihr schön? Wie sähe die aus? Wo wollt ihr hin, jetzt, wo alles stillsteht?

 

Quelle Tsing, Anna: The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins, 2015.

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